Am 4. Juli fand eine Gedenkveranstaltung zu den deutsch-polnischen Konflikten der Jahre 1919–1921 statt. Veranstalter waren der VdG und das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Oppeln.
Bereits zum fünften Mal in Folge wurde der deutsch-polnischen Konflikte von 1919–1921 gedacht. Anlass war der am 5. Juli 1921 in Kraft getretene Waffenstillstand, der die Auseinandersetzungen um Oberschlesien beendete.
Die Zweite Polnische Republik
Trotz vorheriger Bündnisse zwischen den polnischen Legionen und den Mittelmächten kippte die Stimmung gegenüber den deutschen Verbündeten zum Ende des Ersten Weltkriegs. Das 1916 ausgerufene Regentschaftskönigreich Polen erschien vielen Polen nicht unabhängig und souverän genug, weshalb sich einige – zum Beispiel unter Józef Haller in der Blauen Armee an der Westfront – gegen das Deutsche Kaiserreich stellten.

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Als am 11. November 1918, dem Tag des Waffenstillstands von Compiègne, der neue polnische Staat entstand, waren Gebietsstreitigkeiten bereits absehbar. Schon im Dezember 1918 begann der Posener Aufstand, der zu einer Eingliederung von Posen in die Polnische Republik führte.
Die Oberschlesien-Frage 1921
Im Vertrag von Versailles vom Juli 1919 wurden Polen weitere Gebiete zugesprochen, darunter Teile Westpreußens, die fortan als „Polnischer Korridor“ bekannt waren. Über andere Gebiete sollten Volksabstimmungen entscheiden. Zu diesen Abstimmungsgebieten gehörte auch Oberschlesien, das besonders in den ländlichen Grenzregionen teilweise stärker polnisch geprägt war.
Die Lage eskalierte zunächst in zwei kleineren Konflikten und fand ihren Höhepunkt im dritten und größten Aufstand vom 3. Mai bis zum 5. Juli 1921. Nach anfänglichen Erfolgen der polnischen Seite erwirkte eine deutsche Gegenoffensive, bestehend aus Freikorps- und Selbstschutzverbänden, die Rückeroberung großer Teile des Gebiets. Die Kämpfe um den St. Annaberg am 23. und 24. Mai gehören zu den denkwürdigsten Ereignissen dieses Konflikts.

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Anfang Juli sorgten interalliierte Truppen für eine Pufferzone, und der Konflikt wurde beendet. Die künftigen Grenzen wurden entlang der Frontlinie gezogen – ein Ergebnis, mit dem keine der beiden Seiten zufrieden war. Aufgrund der Wunden, die dieser Konflikt hinterlassen hat, ist er bis heute von Bedeutung.
Gedenken an die Opfer
Tausende Menschen kamen bei diesen Konflikten ums Leben. Bisher wurde vor allem der polnischen Seite mit Veranstaltungen und Denkmälern – bereits zur Zeit des Kommunismus – gedacht. Ein beiderseitiges Gedenken ist hingegen eine relativ neue Entwicklung.
„Seit vielen Jahren wird auf dem St. Annaberg am Dunikowski-Denkmal der ersten, zweiten und dritten schlesischen Aufstände und der Opfer der polnischen Seite dieses Konflikts gedacht. Aber es sollte auch daran erinnert werden, dass die Opfer der ersten, zweiten und dritten schlesischen Aufstände auf beiden Seiten des Konflikts standen – sowohl auf der pro-polnischen als auch auf der pro-deutschen Seite.“
– Łukasz Jastrzembski, Vorsitzender der Schlesischen Regionalpolitiker

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Der Gottesdienst zu Beginn stellte vor allem den Frieden in den Mittelpunkt der Predigt. Zahlreiche Vertreter der deutschen Minderheit erschienen, darunter der Vorsitzende des VdG, Rafał Bartek, die Vorsitzende des BJDM, Paulina Widera, der Beauftragte für Multikulturalität beim Woiwodschaftsrat Oppeln, Norbert Rasch, sowie der Berater des Sejmpräsidenten für nationale und ethnische Minderheiten, Ryszard Galla.
„Heute sollten wir uns an alle Opfer dieses Konflikts erinnern.“
– Łukasz Jastrzembski
Auch Senator Henryk Siedlaczek war vor Ort und teilte seine Motivation zum Gedenken:

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„Wir sind von hier. Wir sind Schlesier. Wir sind Bewohner einer großen Heimat, die Europa ist. Und Orte wie der St. Annaberg sollten uns alle vereinen. Damit nie wieder Bruder gegen Bruder steht. Damit nie wieder Bruder auf Bruder schießt. Hier müssen wir uns im Geiste der Versöhnung äußern.“
Fünf Jahre Gedenken an alle Opfer
Auf dem Friedhof vor dem Franziskanerkloster wurden Kränze für die deutschen und polnischen Gefallenen niedergelegt. Rafał Bartek hielt eine kurze Andacht und erinnerte an die Opfer von vor 104 Jahren.

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„Gerade als die Ereignisse von 1921 hundert Jahre zurücklagen, haben wir uns mehrmals versammelt und beraten, was getan werden kann, damit die Erinnerung an diese Ereignisse nicht so politisch aufgeladen ist. Das Denkmal, an dem die meisten Gedenkveranstaltungen stattfinden, ist ein Denkmal aus kommunistischer Zeit, errichtet nach dem Krieg und nur einer Seite gewidmet.
Doch gerade hier, auf dem St. Annaberg, gibt es Gräber von beiden Seiten – von Opfern der polnischen und der deutschen Seite. Ein Teilnehmer fragte dann, warum man nicht den Frieden feiern sollte – den Tag, an dem die Kämpfe aufhörten. Und so machen wir das mittlerweile seit fünf Jahren: dass wir rund um den 5. Juli den Frieden feiern und der Opfer beider Seiten gedenken.“
– Rafał Bartek

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Somit findet die Veranstaltung zur Einstellung der Kampfhandlungen am 5. Juli 1921 jährlich statt und setzt einen Impuls für gegenseitiges Verständnis und Aussöhnung.
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